Wie wurdest du Illustratorin?
Es klingt langweilig, wenn man sagt: Ich habe im Kindergarten schon gerne gezeichnet. Aber es stimmt. Im Dorf, in dem ich aufwuchs, kannten mich alle als die, die zeichnet. Schon als Jugendliche konnte ich kleine Aufträge machen.
Du hast schon als Jugendliche Aufträge gemacht?
Einen Comic für ein lokales Heftchen, eine Zeichnung für eine Zeitung. Comic war zu dieser Zeit ganz mein Ding. Mit etwa vierzehn Jahren machte ich bei einem Zeichnungswettbewerb der «Coop»-Zeitung mit. Den gewann ich. Im nächsten Jahr gewann ich ihn wieder. Beim dritten Mal haben sie mich in die Jury aufgenommen. Mit sechzehn hatte ich meine erste Einzelausstellung in der Alten Kaserne in Winterthur.
Du arbeitest heute vor allem im Auftrag. Dem Comic bliebst du stilistisch treu.
Den Comicstil brauche ich heute vor allem bei Aufträgen, die eine jüngere Zielgruppe ansprechen sollen und es etwas verspielter sein darf.
Wie gehst du vor, wenn du einen Auftrag bekommst?
Zuerst spreche ich viel mit meinen Kundinnen und Kunden. Es geht in dieser Phase darum herauszufinden, welche Bilder das Gegenüber im Kopf hat. Damit will ich vermeiden, dass wir das Gefühl haben, wir reden vom selben, aber eigentlich ganz unterschiedliches meinen. Ich frage darum auch nach Bildreferenzen. Gleichzeitig sprechen wir über die Hauptaussage.
Am Beginn steht also weniger ein einfaches Briefing, sondern ein Austausch. Führst du diesen Dialog während des ganzen Prozesses weiter?
Nach dem ersten Austausch lege ich mehrere Entwürfe vor, um die Richtung abzustecken. So tasten wir uns gemeinsam ans Endprodukt heran. Ich machte gute Erfahrungen damit, den Prozess offenzulegen und die Auftraggebenden auf den kreativen Weg mitzunehmen. Denn eine Skizze überlässt noch vieles der Fantasie. Die Auftraggebenden füllen meine Skizze im Kopf vielleicht ganz anders aus als ich. Darum zeige ich die weiteren Schritte früh. So können meine Kund:innen eingreifen, wenn es für sie in eine falsche Richtung geht.
Arbeitest du digital?
Ja, fast der ganze Prozess ist digital. Nur bei der Suche nach einer Bildidee skizziere ich von Hand. Das geht am einfachsten. Die Umsetzung ist aber immer digital. Das hat auch praktische Gründe: Ich brauche keinen Scanner, ich kann meine Zeichnungen einfach bearbeiten und sie schnell an meine Kund:innen senden.
Deine zweite Technik ist die Arbeit mit Papierobjekten. Wie arbeitest du, wenn das Endprodukt eine dreidimensionale Papierarbeit werden soll?
Bei den Papierarbeiten ist der Prozess ähnlich – mit dem Unterschied, dass die Skizze irgendwann dreidimensional wird. Meistens bin ich dann zuerst einmal unzufrieden und muss nochmals neu ansetzen. Ich entdecke erst, wenn ich die Gegenstände in der Hand habe, dass es anders sein muss. Ich starte mit einer Vorstellung, aber diese ist nicht fix. Oft wird es anders. Im besten Fall besser.
Hast du Modellpläne oder druckst du dir wie bei einem Bastelbogen vorher Faltvorlagen aus?
Nein, ich lege einfach los. Ich zeichne auf das Papier die Falz- und Schneidelinien und setze es direkt um. Ich bin besser darin, direkt räumlich zu entwerfen als einen theoretischen Plan umzusetzen.
Das Endprodukt ist kein dreidimensionales Objekt, sondern ein zweidimensionales.
Deshalb besteht ein grosser Teil meiner Arbeit im Fotografieren: im Arrangement, im Blickwinkel, in der Komposition, im Format. Das ist nicht einfach ein Ablichten. Nur schon die Helligkeit der Flächen verändert sich stark, je nachdem wie die Flächen im Licht liegen. Es ist auch immer wieder unglaublich, wie Farben aufeinander abstrahlen. Wenn ein helles Gelb neben einem Dunkelblau liegt, kann das Blau in der Fotografie weiss aussehen. Da muss ich teils auch digital nachbearbeiten.
Wie lange hast du für ein Papierobjekt?
Das ist sehr unterschiedlich. Für ein einzelnes Objekt, etwa das Propellerflugzeug, das ich für das Buch- und Literaturfestival BuchBasel vor ein paar Jahren umsetzte, habe ich einen Tag.
Wie kommst du zu deinen Aufträgen?
Sie finden mich. Wenn jemand etwas mit Papier will, kommt er zu mir. Ich habe eine Zeit lang viel für Magazine gemacht. Das war schlecht bezahlt, gab mir aber eine gute Sichtbarkeit. Viel machen führt zu mehr machen. Wenn du aktiv bist, dann passiert etwas – auch ohne, dass du hausieren gehst.
Ab wann konntest du von deiner Arbeit als Illustratorin leben?
Nach dem Studium arbeitete ich Teilzeit bei einem Werbefilmstudio. Anfangs achtzig Prozent, dann sechzig, dann vierzig und dann nur noch selbstständig. Das hat sich mit zunehmenden Aufträgen so ergeben.
Machst du neben den Auftragsarbeiten auch freie Arbeiten?
Ja, Seegurken. Das Projekt entstand aus meiner Masterarbeit. Da ging es um Mikroplastik im Meer und darum, wie die Gestalt von Lebewesen durch Veränderungen in ihrer Umwelt beeinflusst wird. Ich bastelte aus diversen Plastikmaterialien Querschnitte von Seegurken. Eine andere Reihe, in der es ebenfalls um Mutationen geht, ist eine Sammlung von etwa dreihundert kleinen Papierobjekten. Die Arbeiten konnte ich in der Galerie Weiertal ausstellen.
Siehst du deine Objekte also auch im Kunstkontext?
Ich mache keine Kunst. Ich mache einfach Sachen. Ich verstehe mich als Illustratorin. Ich arbeite mehr im Dienstleistungssektor als im Kunstsektor.
Als Bachelorarbeit hast du ein Pop-up-Buch gestaltet. Weitere Bücher hast du aber bisher nicht gemacht.
Das Buch war auch hier eher eine Klammer. Mich interessierten die dreidimensionalen Objekte mehr als das Buch. Am liebsten sah ich die Einzelbögen nebeneinander.
Hast du versucht, das Buch bei einem Verlag unterzubringen?
Ich hatte nie den Drang, in einem Buchladen Bücher von mir zu finden. Mich interessiert die Entwicklung der Mechanik. Da reicht mir das Einzelstück. Die serielle Produktion solcher Pop-up-Bücher ist etwas anderes. Hier muss man präzise Pläne zeichnen, damit es in Indonesien oder Vietnam von Hand richtig zusammengestellt werden kann. Man kann nicht wie ich, vom Gefühl her arbeiten, sondern muss geradezu buchhalterisch planen und aufzeichnen.
Wenn für dich also Kunstgalerie und Buchhandlung weniger im Fokus stehen, wo siehst du deine Arbeiten am liebsten?
In Magazinen. Wenn meine dreidimensionalen Illustrationen im Layout eines Magazins sind, dann sind sie am richtigen Ort.