Ausstellung Bilderbücher, 2022 © Samuel Schuhmacher

Erfolgreich ohne Verlag

Ein Gespräch mit Samuel Schuhmacher

von Daniel Fehr
9. März 2022

In Winterthur kennt man dich als den Zeichner des «Winterthurer Wimmelbuchs». Wie kam es dazu?

Ich hatte zuvor einmal ein Wimmelbild für meinen Weinhändler gezeichnet. Die Szenografin und Kulturmanagerin Anita Bättig hat dieses Bild auf meiner Website entdeckt und mir vorgeschlagen, ein Wimmelbuch für Winterthur zu machen. Für andere Städte, etwa Zürich, gab es das schon. Für Winterthur noch nicht. Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen und hätte mich auch nicht getraut, ein solches Projekt allein umzusetzen.

Du hattest bis dahin nur gerade ein einziges Wimmelbild gezeichnet?

Ja, aber ich erinnerte mich daran, wie ich schon als Kind Wimmelbücher geil fand. Etwa die «Wo ist Walter?»-Reihe oder die Bücher von Ali Mitgutsch. Ich hatte eines von ihm, das am Meer spielte. Ein ganz kleines Büchlein. Ich liebte es. Als ich zugesagt hatte für das Projekt, habe ich diese Bücher wieder hervorgeholt und mich mit der Frage beschäftigt, was ein gutes Wimmelbild ist.

Was ist ein gutes Wimmelbild?

Wichtig ist, dass die Figuren tatsächlich etwas tun. Sie dürfen keine reinen Platzhalter sein, die nur da sind, damit das Bild gefüllt ist. Und es muss alles gleichbehandelt sein. Ein Wimmelbild lebt davon, dass es eben gerade keinen Vordergrund gibt, in dem sich das Wesentliche des Bildes abspielt. So werden die Betrachterinnen und Betrachter beim Wimmelbild nur mässig geführt und müssen sich selbst zurechtfinden. Zur Belohnung entdecken sie kleine Geschichten und Szenen.

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Samuel Schuhmacher hat die Ausstellung «Bilderbücher: illustriert & inszeniert» zeichnerisch kommentiert! Hier finden Sie die entstandenen Bilder.
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Ausstellung Bilderbücher, 2022 © Samuel Schuhmacher
Ausstellung Bilderbücher, 2022 © Samuel Schuhmacher
Ausstellung Bilderbücher, 2022 © Samuel Schuhmacher

Wie war die Arbeit für dich?

Beim Wimmelbild-Zeichnen kann ich in meiner Arbeit versinken. Es hat etwas Meditatives. Zudem habe ich während des Arbeitens viel Spielraum. Ich lege zwar ein Grundkonzept an, kann danach aber immer noch spontan neue Szenen einbauen. So bleibt für mich die Arbeit spannend.

Ihr habt das Buch ohne Verlag herausgegeben.

Wir haben das Projekt zusammen mit dem House of Winterthur gemacht. Sie haben uns geholfen, Sponsoren für das Buch zu finden. Anita Bättig hat das ganze Administrative gemacht und sich um das Crowdfunding und die Medienarbeit gekümmert. Ich habe gezeichnet und die Gestaltung übernommen. Letztlich ist es aber das Projekt von mir und Anita.

Ihr habt also auch das finanzielle Risiko selbst getragen?

Durch die Sponsoren und das Crowdfunding war das Buch bereits finanziert, bevor wir überhaupt in den Druck gingen. Wir haben auch bei jeder Auflage nur gerade so viele Bücher gedruckt, wie uns die Läden im Voraus abgekauft haben. Hätten wir das Buch mit einem Verlag gemacht, hätten wir viel weniger daran verdient.

© Samuel Schuhmacher

Konntet ihr selbst entscheiden, was ins Buch kommt?

Ja, das war mir auch sehr wichtig. Mir war es egal, Logos von Sponsoren in den Bildern zu platzieren, wenn ich dafür die Szenen auswählen kann, die für mich Winterthur ausmachen.

Du publizierst auch deine Comics selbst.

Ich habe zwei Comics im Internet publiziert, sogenannte Webcomics. Der eine heisst «Sackgasse» und ist meine Abschlussarbeit an der Hochschule Luzern, wo ich studiert habe. Der andere ist der «Oberwiesli Comic» und handelt von einem fiktiven Bünzliquartier, das dem Quartier gleicht, in dem ich selbst aufgewachsen bin.

Sind die auch so erfolgreich wie dein Wimmelbuch?

Zuerst war eine Begeisterung da für die Webcomics. Alle können sie lesen. Du kannst alles publizieren, was du willst. Aber die Zielgruppe bleibt trotzdem beschränkt. Das Internet ist zwar für alle zugänglich, doch wie kommen die Leute auf deine Seite? Darum führe ich nun das Experiment auf Instagram weiter. Das ist wenigstens ein Kanal, auf dem man sowieso ist und so auch auf meine Comics stösst. Eigentlich bräuchte es ein Netflix für Webcomics, damit die Konsumhürde niedrig ist.

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Ein Bild entsteht! So arbeitet Samuel Schuhmacher
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In «Sackgasse» geht es um eine typische Schweizer Quartierstrasse. In den «Oberwiesli Comics» erzählst du von einem Quartier, das an jenes erinnert, in dem du aufgewachsen bist. Und im «Winterthurer Wimmelbuch» steht deine Stadt im Zentrum. Sind deine Werke auch Berichte aus deinem Milieu?

Beim Wimmelbuch war es etwas anderes, da hat die Wahl aus kommerzieller Sicht Sinn gemacht. In meinen Comics erzähle ich aber stark von meiner Welt. Durch mein Studium an der Kunsthochschule bekam ich einen neuen Blick auf den Ort, wo ich aufgewachsen bin. Es war ein bünzliges Quartier. Meine Comics sind aber keine Abrechnung. Ich selbst bin auch so. Vielmehr habe ich die Menschen gern und will von ihnen erzählen.

Du hast im Moment je einen Stil für deine Comics und einen für deine Wimmelbücher. Entwickelst du deine Stile noch weiter?

Bei den Wimmelbildern habe ich momentan einen Stil, der mir gefällt und der funktioniert. Da variiere ich nur noch die Farbpaletten. Bei den Comics bin ich noch am Suchen. Da hätte ich gerne einen freieren Stil, sodass es lockerer und lebendiger wird.

Wie entsteht bei dir ein Bild?

Bei den Wimmelbildern bestimme ich zuerst den Ort und die Perspektive, dann mache ich einen digitalen Entwurf. Bei den Auftragsarbeiten ist in diesem Stadium schon das meiste da. Vielleicht ändern sich nachher noch die Farben oder kleine Details. Anschliessend mache ich die Reinzeichnung, ebenfalls digital.

War das Wimmelbuch auch ein Sprungbrett für Aufträge?

Total. Ich hatte sogar anfangs gedacht, dass ich das Wimmelbuch raushaue, und dann kommen die Aufträge. Es ging dann aber über ein Jahr, bis Aufträge kamen. Inzwischen sind es ganz viele und ich kann auch davon leben. Trotzdem will ich nicht nur noch das machen. Ich arbeite gerade an einer längeren Comicgeschichte.

© Samuel Schuhmacher