Wie wurdest du Illustrator?
Ich hatte eine Lehre als Schriftenmaler begonnen. Mein Lehrbetrieb ging aber Konkurs und ich stand mit siebzehn Jahren auf der Strasse. Statt einen neuen Betrieb zu suchen, machte ich den Vorkurs an der heutigen Zürcher Hochschule der Künste. Danach studierte ich im Studiengang «Wissenschaftliche Illustration».
Wie kam es, dass du dich für die wissenschaftliche Illustration entschieden hast?
Der Bereich war im gleichen Gebäude untergebracht wie der Vorkurs. Durch die räumliche Nähe hatte ich eine Vorstellung, was die machen: Den ganzen Tag malen und zeichnen ohne Sinn und Zweck. Für mich war das ein Versprechen. Hier kannst du so weitermachen wie bisher. Doch dann ging die Sinnsuche los. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich ein Künstler bin. Ich wollte ein Dienstleister sein. Meine Bedingung war, dass ich etwas mache, das andere im praktischen Sinn brauchen. Zudem sollte es mich auch monetär tragen.
Und konntest du nach dem Studium als Illustrator leben?
Ich hatte als Abschlussarbeit ein Bilderbuch gemacht: «Erdwin der Nacktmaulwurf». Die Idee kam von mir, aber mit der Geschichte ging es nicht weiter. Darum holte ich Beat Schlatter ins Boot. Er hat die Geschichte geschrieben. Durch Beats Bekanntheit erhielt das Buch viel Aufmerksamkeit. Ich konnte in der Folge regelmässig für Wochenmedien wie «Das Magazin», die «Weltwoche», das «NZZ Folio» oder «Die Zeit» arbeiten. Zum Glück musste ich aber nie ganz von der Illustration leben. Ich habe nebenher immer noch andere Dinge gemacht.
Wie lief die Arbeit für Zeitschriften und Magazine ab?
Die grösste Herausforderung in dieser Zeit war für mich der Zeitdruck. Auch bei den Wochenmedien müssen Themen eine gewisse Aktualität haben. Entsprechend terminiert waren die Aufträge. Von der Idee bis zur Umsetzung hatte ich eine halbe Woche Zeit. Ich wusste oftmals am Freitag noch nicht, was ich am Montag abliefern musste. Oder ob überhaupt ein Auftrag kommt. Ich wartete wie ein Feuerwehrmann auf einen Einsatz.
Warum hast du mit dieser Arbeit aufgehört?
Obwohl ich auch politische Themen umsetze, bin ich kein Karikaturist, der sich selbst über das Zeitgeschehen informiert. Ich lese am liebsten gar nichts. Am besten war es für mich, wenn ich ein gutes Briefing bekam und daraus ein Bild machen konnte. Auf die Länge funktionierte es für mich aber nicht. Ich hätte viel mehr arbeiten müssen, um auf einen grünen Zweig zu kommen.
In welchen Bereichen arbeitest du weiterhin als Illustrator?
Was ich noch mache sind Buchcover für Verlage. Hier fällt der Zeitdruck weg. Es gibt Zeit, um zu korrigieren. Das macht es erträglich. Für ein Buchcover kann ich mir fast einen Monat Zeit nehmen. Dafür fehlt hier die Spontaneität. Es gibt viel mehr Anspruchsgruppen, vom Verlag bis hin zum Vertrieb, die mitreden. Aber ich kann gut damit leben. Meine Illustrationen erfüllen hier eine klare Funktion und in diesen Dienst stelle ich sie gerne.
Machst du auch eigene Projekte?
Nein, ich stehe nicht so gerne in der Verantwortung als Künstler. Ich stelle mich mit meiner Arbeit lieber in den Schatten von anderen, die eine Geschichte geschrieben haben. Das gibt mir auch den Rahmen vor. Ich komme auf keinen grünen Zweig, wenn ich mir selbst etwas aus den Fingern saugen muss.
Deine Arbeit wirkt stilistisch sehr einheitlich. Wie hast du zu deinem Stil gefunden?
Ich habe immer wieder probiert, andere Stile zu finden. Ich bin aber immer wieder gescheitert. Denn mich interessiert weniger die malerische, zeichnerische oder grafische Umsetzung eines Bildes. Mich interessiert die Welt, die ich erschaffen kann. Wichtig ist für mich die Illusion, die meine Bilder am Ende hervorrufen. Dafür brauche ich Licht und Schatten, dafür muss ich meinen Bildräumen Tiefe verleihen. Der Stil ergab sich bei mir aus dem Wunsch, möglichst realistische Illusionen zu erzeugen.
Abgesehen von deinem Bilderbuch, bei dem du eine ganze Geschichte illustriert hast, erzeugst du in der Regel Einzelbilder. Wie entsteht ein solches Bild?
Ich gehe nicht mit einer Absicht an ein Bild heran, sondern versuche so assoziativ wie möglich zu sein. Wenn ich ein Thema habe, dann konsumiere ich zuerst. Ich sehe mir im Internet Videos an, die etwas mit dem Ort oder dem Anlass des Themas zu tun haben. Ich sammle oft hunderte von Fotos. Diese speichere ich auf meinem Computer. Manchmal sortiere ich sie ein wenig thematisch. Mein Bild entsteht aus diesen Funden.
Wie geht es bei der Bildkreation weiter?
Wenn ich auf einem Foto etwas Interessantes bemerke, zum Beispiel eine Figur, schneide ich diese digital aus und setze sie auf meine Zeichenfläche im Bildbearbeitungsprogramm. Danach beginnt die Montagearbeit. Ich setze weitere gefundene Elemente hinzu und ich ergänze die Fotomontage zeichnerisch. Bei diesem Prozess kann das ursprüngliche Bildelement, das mich anfangs inspirierte, auch wieder verschwinden. Nach einem halben Tag steht die Bildmontage und es geht an die Umsetzung. Diese mache ich aber oft nicht selbst.
Du arbeitest im Duo, zusammen mit Roland Hausheer.
Schon zwei Jahre nach meinem Studium habe ich begonnen, mit Roland zusammenzuarbeiten. Ich habe die Bildmontagen gemacht und Roland hat diese anschliessend umgesetzt. Er hat meine Fotomontagen nach meinem Verfahren digital gepinselt. Dabei sollte der Übergang zwischen den Fotos und den gezeichneten Teilen so fliessend wie möglich sein. Rein handwerklich ist mir Roland dermassen überlegen, dass er dabei viel schneller ist als ich. Die Zusammenarbeit machte es möglich, dass ich mich noch mehr um Bildideen kümmern konnte und weniger um die Umsetzung.
Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Bei uns ist die Arbeit als Duo über die Zeit gewachsen. Seit 2003 bis letztes Jahr haben wir regelmässig so zusammengearbeitet. Bei meinem aktuellen Projekt, einem Buchcover, pinsle ich wieder selbst. Das fühlt sich an wie Laufen lernen nach einem Beinbruch. Ich merke, dass das Training für den handwerklichen Prozess fehlt. Ich habe auch deutlich länger als Roland für eine Bildumsetzung. Bei mir dauert das heute gut zwei Tage.
Das heisst, du bist jetzt wieder der alleinige Autor deiner Bilder.
Ich halte meine Bilder nicht für meine Errungenschaft. Die Teile, aus denen meine Bilder zusammengesetzt sind, stammen nicht von mir. Trotzdem sind meine Fotomontagen wiedererkennbar, auch wenn ich selbst keinen Strich daraufsetze. Die Wiedererkennbarkeit besteht in dem, was ich auswähle und wie ich es kombiniere.
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